Thema und Datenmaterial

Die Arbeit widmet sich inhaltlich der fortschreitenden ungleichen monetären Verteilung in den Gesellschaften der Wirtschaftsmächte als Folge der unregulierten Finanzmärkte. Das neoliberale Wirtschaften der letzten Jahrzehnte hat zur Folge, dass einige wenige Individuen sich immer drastischer auf Kosten der Allgemeinheit bereichern ohne dabei nachhaltig zu wirtschaften. Der Projekt-Titel „Angry99“ spielt auf den Slogan der Occupy-Wallstreet-Bewegung – „We are the 99%“ – an und thematisiert den gegen diese Gier einiger weniger gerichteten Zorn der Gesellschaft, welcher in den weltweiten Demonstrationen und Camps der Occupy-Bewegung gipfelte. Dass die politische Bewegung Occupy keiner Partei oder Lobby entspringt, sondern direkt von der Basis der Gesellschaft ausgeht und die Interessen von fast allen gesellschaftlichen Schichten vertritt, hebt sie von vielen politischen Bewegungen unserer Zeit ab und macht sie deshalb besonders interessant und unterstützenswert.
Der Sachverhalt der zunehmenden finanziellen Ungleichheit ist in den für die Allgemeinheit zugänglichen Informationen jedoch unterbelichtet, da weder die Wirtschaft noch die mit der Wirtschaft verwobene Politik ein ernstzunehmendes Interesse zeigt dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Ziel dieser Arbeit ist also, die durchaus vorhandenen Daten zur wirtschaftlichen Lage allgemein verständlich und an öffentlich zugänglichen Orten zu beleuchten.
Da der globale Finanzmarkt von Amerika mindestens dominiert wird und Amerika sich im Besonderen mit den Auswirkungen des (selbst verursachten) Neoliberalismus konfrontiert sieht, liegt der Inhaltliche Fokus auf der Visualisierung dem Thema entsprechender amerikanischer Zahlen und Fakten.
Konkret werden steigende Ungleichgewichte in der Entlohnung und den Besitzverhältnissen, aber auch eine regressive soziale Mobilität visualisiert.

Formale Idee

Otto Neuraths Methode der Bildstatistik ermöglicht zwar sehr erfolgreich und bildungsstand-übergreifend ein leichteres Erfassen von politischen oder wirtschaftlichen Zusammenhängen, in der heutigen Informationsflut drohen solch abstrahierte Formen jedoch aufgrund ihrer Omnipräsenz unterzugehen. Es gilt also die Methode in sofern weiter zu entwickeln, dass durch eine neuartige Inszenierung von Bildstatistik trotz der Datenflut Aufmerksamkeit erregt werden kann.
Der Schlüssel zur Aufmerksamkeitserregung sind vor allem Emotionen, welche besonders gut über das bewegte Bild transportiert und erzeugt werden können. Erst die Display-Technik der letzten Jahre ermöglicht es jedoch detailreiche Informationen als Bewegtbild im öffentlichen Raum zu inszenieren.
Die formale Grundidee ist deshalb eine Kombination des klassische Plakates mit Bewegtbildern um dadurch eine Mischform zu entwickeln welche man als „Motion Poster“ betiteln könnte. Das klassische (Hoch-) Format des Plakates sowie das Einsatzgebiet im öffentlichen Raum bleibt bestehen, das statische Motiv wird jedoch durch ein hochformatiges Video ersetzt, welches wechselnde Inhalte sowie subtile Bewegungen innerhalb der einzelnen Motive zulässt, deren Aufbau wiederum das klassische Plakat zitiert und (fast) starr bleibt.

Visualisierung der Daten

Die Idee zum Informations-Design besteht darin, die statistischen Daten bewusst aus ihrem gewöhnlichen wissenschaftlich neutralen Kontext zu lösen und emotional aufzuladen. Konkret wird dies versucht, indem die Informationsgrafiken im Stile von „Demonstranten-Plakaten“ mittels Farbe und Markern auf Karton inszeniert und von jeweils einer Person frontal in die Kamera gehalten werden. Das Format des „Motion Posters“ ist so gewählt, dass die Personen in Lebensgröße dargestellt werden können. Die üblichen Parolen solcher selbst-erstellten Plakate werden hier – wenn auch stark vereinfacht – durch fundierte Statistiken ersetzt, welche in Verbindung mit dem vermeintlichen Demonstranten als Kritik gewertet werden sollen. Bei der Gestaltung der Informationsgrafiken selbst wird die Formensprache Otto Neuraths – insbesondere die Darstellung von Mengen-Verhältnissen – zitiert, durch die emotionalere Darstellungsweise wird jedoch versucht diese neu zu interpretieren.
Die einzelnen Motive – bestehend aus einer Person mit Plakat – wechseln sich in Sequenzen ab, wobei die Personen sich dabei innerhalb ihrer Sequenzen nur sehr subtil bewegen, sodass zunächst die Verwechslung mit einer Fotografie provoziert werden soll. Ein blinzeln der Protagonisten oder spätestens der Wechsel des „Demonstranten“ entlarvt dann das Bewegtbild und soll als Überraschungseffekt für die Erregung der Aufmerksamkeit, aber auch für Irritation und ein unbehagliches „sich beobachtetet fühlen“ sorgen, um eine thematische Auseinandersetzung regelrecht einzufordern.

Umsetzung

Die „Motion Poster“ sollen in Form von Beamer-Projektionen oder Video-fähigen CityLights im öffentlichen Raum platziert werden und richten sich an den betroffenen Großteil (besagte 99%) der Gesellschaft. Sie sollen den Betrachtern durch fundierte Fakten die Gründe für den berechtigten Zorn der Occupy-Bewegung vermitteln und bestenfalls die Auseinandersetzung mit und das Hinterfragen der globalen Finanzpolitik provozieren. Für den öffentlichen Raum sind die „Motion Poster“ grundsätzlich ohne Ton konzipiert, in einem eventuellen Ausstellungskontext in Innenräumen kann allerdings optional die Originaltonspur die fehlenden urbanen Umgebungsgeräusche ersetzen. Beamer-Projektionen der „Motion Poster“ an für Plakate unübliche Orte – auch als „Guerilla-Aktionen“ – sollen dabei einen Hauch des Aktionismus der inzwischen aus den Stadtbildern verschwundenen Occupy-Bewegung am Leben erhalten.

 

20.07.2014

Interaktive Medien

Das Lehrgebiet Interaktive Medien setzt sich mit den konzeptionellen, kommunikationsspezifischen und technischen Gestaltungsfragen der interaktiven und vernetzten Medien auseinander. Dabei wird in Seminaren und Projekten auf die Ästhetik und Semiotik digitaler Medien eingegangen und deren Interaktionsprinzipien analysiert. In interdisziplinären Projekten werden verschiedene mediale Inszenierungsformen erprobt, von Informationsdesign und vernetzten Applikationen über Animation und Motion Graphics bis hin zu medientechnologischen Installationen.
Neue Interaktionskonzepte beschränken sich nicht mehr allein auf das Bedienen der Schnittstellen zu Computern, sie werden zunehmend von einer Neuentdeckung menschlichen Wahrnehmens, Denkens und Handelns geprägt. Neue, soziale Vernetzungsstrategien führten zu einer Umkehrung klassischer Kommunikationsmodelle, aus den Empfängern wurden selbst Sender. Welchen weiteren Einfluss wird diese neue Form des Publizierens auf unser Kommunikationsverhalten und unsere Gesellschaft haben? Damit will sich das Lehrgebiet kritisch und kreativ auseinandersetzen. Bei einer späteren Schwerpunktbildung kann man sich in Projektarbeiten vertiefend mit den Gestaltungsmöglichkeiten interaktiver Medien beschäftigen und das Bachelor-Studium mit einer Thesis im Lehrgebiet Interaktive Medien abschließen.

MASTER-STUDIUM „INTERAKTIVES INFORMATIONSDESIGN”

Nach einem Bachelorstudium kann an der Muthesius Kunsthochschule im Rahmen des Studiengangs Kommunikationsdesign der Master-Schwerpunkt „Interaktives Informationsdesign“ studiert werden. Interaktive Informationsgestaltung beschränkt sich nicht nur auf die Darstellung auf Monitoren, sondern kann auf vielfältige Weise in die Gestaltung und Inszenierung öffentlicher Informationsräume integriert werden. Und dadurch an Emotionalität und Erfahrbarkeit hinzugewinnen. Als Installation oder Interaktionskonzept tritt sie in Wechselwirkung mit realen Objekten, wird zum Vermittler zwischen Betrachter und Artefakt, wird selbst zur Raumgestaltung.
In diesem Kontext bietet das Informationsdesign eine interdisziplinäre Schnittstelle und knüpft damit an andere Master-Programme des Kommunikationsdesigns und der Muthesius Kunsthochschule an. Dadurch können weitreichende Synergien genutzt und geschaffen werden.

Fragen?

Prof. Tom Duscher
T 0431 / 5198 – 478
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